Man sagt, dass Tschechisch sooo schwierig ist. Ich sage, dass das ein Klischee ist. Tschechisch ist eine schöne und bunte Sprache. Dass Fremdsprache-Lernen sogar Spaß machen kann, zeigt Ihnen mein Artikel über Interessantes, Wissenswertes, Skurriles und auch Lustiges aus der Sprache Ihrer Nachbarn.
„Sooft bist du Mensch, soviele Sprachen du sprichst.“
Das ist eine wörtliche Übersetzung eines beliebten tschechischen Sprichwortes. („Kolik řečí mluvíš, tolikrát jsi člověkem.“) Gemeint ist etwa: „Du erweiterst deinen Horizont und deine Möglichkeiten, wenn du mehrere Sprachen beherrschst.“
„Tschechisch spricht man nicht hinterm Mond, sondern neben an.“ Mit diesem Slogan wirbt die Wunsiedler Realschule, die einzige Realschule Bayerns, die Tschechisch als Wahlpflichtfach anbietet, um neue Fremdsprachenschüler. Und ganz zu Recht, weil diese Sprache circa 10,5 Millionen unserer Nachbarn sprechen.
Ist Tschechisch wirklich so schwierig, wie man sagt?
Es ist sicher keine leichte Sprache, aber auch keine überaus schwierige. Schwieriger als Englisch, aber leichter als Japanisch oder Arabisch. So oder so – das Erlernen einer Fremdsprache erfordert immer viel Arbeit, Ausdauer und nachhaltige Motivation.
„Internationalismus“ heißt nicht nur eine politische Strömung und „falsche Freunde“ sind nicht nur schelmische Typen
Obwohl Tschechisch andere Wurzeln als Deutsch hat, verfügen die beiden Sprachen über viele Gemeinsamkeiten. In den beiden Sprachen sind reichlich „Internationalismen“ vorhanden. Das sind Wörter, die in verschiedenen Sprachen gleich oder ähnlich gesprochen, geschrieben und verstanden werden: Kultur / kultura, Kamerad / kamarád, Sport / sport, Auto / auto, Hotel / hotel, Bar / bar, Restaurant / restaurace, Test / test, Kopie / kopie, Atom / atom, Radio / radio, Ananas / ananas, Gulasch / guláš, Kakao / kakao, … und unzählige weitere Wörter aus allen Lebensbereichen, die die Verständigung erleichtern.
Unter diesen Fremdwörtern gibt es aber auch einige sehr tückische Wortpaare, man nennt sie „falsche Freunde“ (faux amis). Der Begriff „falsche Freunde“ hat hier nichts mit zwischenmenschlichen Beziehungen zu tun, sondern es handelt sich um einen linguistischen Fachausdruck. So bezeichnet man Wörter, die gleich oder ähnlich geschrieben werden, haben aber in den beiden Ländern und Kulturen unterschiedliche Bedeutungen. Diese Wörter haben meistens gleichen Ursprung, aber es hat sich im Laufe der Zeit unterschiedlicher Gebrauch eingebürgert. Sie führen häufig zu Übersetzungsfehlern und im Alltag zu Missverständnissen. Ein Beispiel aus der Praxis – wenn ein Tscheche sagt: „Ich gehe auf Brigade“, meint er damit nichts militärisches, sondern (heutzutage) einen Ferien- oder Nebenjob. (Früher verstand man darunter gemeinsame gemeinnützige Arbeit der Menschen einer Straße/Stadt, zu der die Stadtverwaltung aufgerufen hat, z.B. gemeinsam Ernten oder Unkraut jäten.) Auch unter den folgenden Begriffen stellt sich ein Deutscher etwas anderes vor, als ein Tscheche: Konkurs / konkurz ( = Stellenausschreibung, Bewerbung), Mappe / mapa ( = Landkarte), Tank / tank ( = Panzer), …
Germanismen im Tschechischen – ein Zeichen für geografische, kulturelle und politische Nähe
Aus historischen Gründen gibt es im Tschechischen unzählige Lehnwörter, mitunter viele s.g. Germanismen. Die meisten stammen aus dem österreichischen Deutsch. Ihre Schreibweise wurde meistens an das Tschechische angepasst, aber anhand der Aussprache erkennt man sofort ihren deutschen Ursprung. Man unterscheidet:
- Wörter, die schon lange eingebürgert sind und zählen zu der hochsprachlichen Form, z.B.:
das Ziel – cíl [ziel]
die Brille – brýle [brielä]
die Tasche – taška [taschka]
der Schal – šála [schahla]
der Zoll – clo [tslo]
tanzen – tancovat [tanntsowat]
malen – malovat [mallowat]
Sehr viele gibt es auch in Gastronomie:
die Nudel – nudle [nuddlä]
der Zucker – cukr [tsukr]
der Kaffee – káva [kahwa]
der Knödel – knedlík [knäddliek]
die Breze – preclík [prätsliek] - Wörter aus Dialekten und Umgangssprache
die Flasche (ugs. Flaschn) – flaška [flaschka]
das Gesicht (ugs. Gsicht) – ksicht [ksicht]
das Geschäft (ugs. Gschäft) – kšeft [kschäft]
die Unordnung (ugs. Sauerei) – sajrajt [seireit]
der Spaziergang – špacír [spatsier]
der Feinschmecker – fajnšmekr [feinschmäkr]
(Meine beliebten Germanismen stammen aus dem alten Handwerker-Jargon:)
der Eisenbahner – ajznboňák [eisnbonjahk]
der Maschinenführer – mašinfíra [maschinnfiera]
das Werkzeug (ugs. Werkzeich) – vercajk [wärkzeik]
die Sicherheitsnadel – sichrhajcka [sichrheitska]
…usw.
Die Germanismen aus der zweiten Gruppe (Umgangssprache) schwinden nach und nach aus der alltäglichen Sprache und werden für die jungen Generationen immer weniger verständlich.
Auch im Deutschen gibt es tschechische Lehnwörter: pistole / die Pistole, robot / der Roboter oder halunk / der Halunke.
Warum sieht das Tschechische so kompliziert aus?
Die slawische Sprache verwendet zwar die gleichen lateinischen Buchstaben wie Deutsch, aber über manchen Buchstaben gibt es zusätzlich noch s.g. „diakritische Zeichen“: Häkchen (ž, š, č, ř, ď, ť, ň, ě), Striche (á, é, í, ó, ú, ý) und Kringel (ů). Aber es ist nicht so schwierig, wie es auf den ersten Blick erscheint, denn diese Zeichen geben uns nur die
richtige Aussprache an. Das Häkchen steht für weiche Laute, z.B š [sch] oder č [tsch] und die Striche und der Kringel bedeuten lange Aussprache, z.B. dobré ráno [dobräh rahno] / guten Morgen. Mit ein bisschen Übung ist Lesen im Tschechischen sogar einfacher als im Englischen.
Allerdings – ein Buchstabe / Laut ist wirklich etwas Sonderbares – „Ř, ř“ – gerolltes r und gleichzeitig stimmhaftes sch. Man sagt, dass nur im Tschechischen, als einziger Sprache der Welt, dieser Laut vorkommt. Typisch ist auch eine Reihe von Konsonanten, die ohne Vokale hintereinander stehen: zmrzlina [smrslinna] / Eis, pštros [pschtross] / Strauß, scvrkl [stswrkl] / schrumpfte. Sogar vokallose Wörter kommen häufig vor: čtvrt [tschtwrt] / Viertel, prst [prsst] / Finger, prs [prs] / Brust, krk [krk] / Hals, vlk [wlk] / Wolf …
Auch für Muttersprachler eine Herausforderung
Ein lustiger Zungenbrecher ist ein Satz ohne Vokale: „Strč prst skrz krk.“ [Strtsch prsst skrs krk] ( = Stecke den Finger durch den Hals). Der folgende Zungenbrecher ist auch sehr beliebt: „Šel pštros s pštrosicí a s pštrosáčaty do pštrosačárny.“ [Schell pschtross s pschtrossitsi a s pschtrossahtschatti do pschtrossatschahrni.] ( = Der Strauß ging mit einem Straußenweibchen und Straußenkindern in den Straußenstall.)
Bunt und niedlich
Vornamen haben im Tschechischen oft unterschiedliche „Spitznamen“. Fremde wundern sich oft über ihre verschiedene Rufformen. Viele Rufformen weichen nämlich von der Grundform ab und das kann dann zur Verwirrung führen. Z.B. wer den Namen „Jan“ trägt, wird in der Familie und unter den Freunden mit den folgenden Namen angesprochen:
„Honza [honnsa], Honzík [honnsiek] und Honzíček“ [honnsietschäk]. Oder „Josef“ ruft man als „Pepa [päppa], Pepík [päpiek], Pepíček“ [päpietschäk]. Und „Jakub“ wird „Kuba [kubba], Kubík [kubiek], Kubíček“ [kubietschäk] genannt. Oder: „Čestmír [tschässtmier] – Čenda [tschända], Mirek [mirräk], Mireček“ [mirätschäk].
Nicht nur die Namen, sondern auch die Nomen werden gerne „verniedlicht“, manchmal sogar in mehreren Stufen. Man verkleinert gerne alles, was man lieb hat, auch Dinge: káva [kahwa] – kávička [káhwitschka] / Kaffee – Käffchen, pivo [piwo] – pivečko [piwätschko] / Bier – Bierchen. Und sogar Adjektive werden verkleinert/verniedlicht: malý [malie] – maličký [malitschkie] / klein – winzig klein, hezký [häskie] – hezoučký [häsoutschkie] / schön – ???
Die bekannten sieben Fälle
Deutsch hat vier grammatikalische Fälle. Tschechen deklinieren in sieben Fällen – nicht nur Nomen, auch Adjektive, Pronomen und Zahlwörter. Dabei ändern sich nicht die Artikel wie im Deutschen, sondern die Endungen der Wörter. Der 5. Fall (Vokativ) ist eine tschechische Spezialität. Es ist ein Fall für die Anrede. Bei der Anrede ändert sich die Endung des Wortes. Zum Beispiel bei Namen: Sabina sprechen wir mit Sabino [sabinno] an, Tobias – Tobiasi [tobiassi], Oliver – Olivere [olliwerä], Michael – Michaeli [michaälli], …
Interkulturelles – es kommt nicht nur auf die Sprache an
„Hallo / ahoj“ [ahoi] grüßt man ausschließlich unter Freunden und Verwandten. Also nicht etwa Unbekannte an der Tankstelle oder in einem Geschäft. Mit dem Gruß „Guten Tag / dobrý den“ [dobrie dän] kommt man überall gut an.
Neben Geburtstagen werden in Tschechien auch Namenstage gefeiert. In den meisten tschechischen Kalendern stehen deswegen zu jedem Tag die passenden Vornamen. Zum Namenstag wünscht man sich alles Gute und beschenkt sich mit einer Kleinigkeit wie z.B. einem Blümchen oder Süßigkeiten.
„Nur nicht zu früh!“ 🙂 Laut der tschechischen Etikette gilt als anständig circa 10 Minuten später zum Besuch zu kommen. So hat der Gastgeber einige Minuten mehr Zeit für evtl. Vorbereitungen. Hingegen einige Minuten eher zu erscheinen, würde man als Unanständig betrachten.
Sprichwörter für jeden Anlass
Tschechen benutzen gerne verschiedene Redewendungen. In der alltäglichen Sprache kommen Sprüchlein und Sprichwörter sehr häufig vor. Manche sind auch im deutschen Sprachgebrauch bekannt:
„Wer anderem eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.“ / „Kdo jinému jámu kope, sám do ní padá.“
„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ / „Mluviti stříbro, mlčeti zlato.“
„Liebe versetzt Berge.“ / „Láska hory přenáší.“
„Aller guten Dinge sind drei.“ / „Do třetice všeho dobrého.“
Andere hört man im Deutschen eher selten:
„Eine Gewohnheit ist ein eisernes Hemd.“ / „Zvyk je železná košile.“
„Besser ein Spatz in der Hand als eine Taube auf dem Dach.“ / „Lepší vrabec v hrsti než holub na střeše.“
„Kaufe keinen Hasen im Sack.“ / „Nekupuj zajíce v pytli.“
Berühmte tschechische Persönlichkeiten und ihre Weisheiten
Die tschechische Sprache wurde durch viele weltberühmte Persönlichkeiten geprägt…
„Es genügt nicht etwas sicher zu können, man muss Leichtigkeit erstreben.“
Johann Amos Comenius (1592–1670), Philosoph und Schriftsteller, Autor des berühmten Spruches „Schule als Spiel“
„Die sittliche Grundlage aller Politik ist die Humanität und die Humanität ist ein internationales Programm.“
Tomáš Garrigue Masaryk (1850–1937), 1. tschechoslowakischer Präsident
„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat – ohne Rücksicht darauf, wie es ausgeht.“ „Wahrheit und Liebe müssen siegen über Lügen und Hass.“
Václav Havel (1936–2011), Schriftsteller und 1. tschechischer Präsident
Einer der bekanntesten tschechischen Schriftstellern ist Karel Čapek [tschapäk] (1980–1938). Aus seinem Science-Fiction Drama „R.U.R.“ (erschienen im Jahr 1920) entstammt das internationale Wort „Roboter“. Die Roboter waren in seinem Schauspiel künstliche Menschen, die als billige und rechtlose Arbeiter hergestellt wurden. Dass Karel Čapek nicht nur Dramatiker und Philosof war, sondern auch ausgezeichneter Humorist, belegt das Folgende Zitat: „Humor ist das Salz der Erde, und wer gut durchgesalzen ist, bleibt lange frisch.“
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